Was beim Erben zählt – aktuelle Urteile und praktische Tipps

 

Ein Todesfall bringt nicht nur emotionale Belastung, sondern auch zahlreiche rechtliche und steuerliche Fragen mit sich. Die meisten Angehörigen sind zunächst mit der Trauer um eine nahestehende Person beschäftigt, sehen sich aber bald mit komplexen Entscheidungen rund um das Erbe konfrontiert. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob das Erbe angenommen oder ausgeschlagen wird, ob ein Testament rechtsgültig ist oder welche steuerlichen Pflichten entstehen. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS beleuchtet in einer Sonderausgabe aktuelle Urteile aus Deutschland zu diesem Themenbereich.

Wenn sich über einen längeren Zeitraum hinweg keine Erben ermitteln lassen, darf das Finanzamt Erbschaftssteuerbescheide auch gegenüber unbekannten Personen ausstellen. In einem konkreten Fall war selbst 14 Monate nach dem Tod eines Erblassers unklar, wer erbberechtigt war. Der Nachlasspfleger hatte bis dahin keine Hinweise gefunden. Deshalb ging die Finanzbehörde von 20 möglichen Erben mit entfernter Verwandtschaft (Steuerklasse III) aus und stellte einen Steuerbescheid an den Nachlasspfleger aus. Der Bundesfinanzhof bestätigte dieses Vorgehen (Az.: II R 40/17), wies jedoch darauf hin, dass zuvor eine angemessene Frist zur Recherche gegeben sein müsse.

Eine schwierige Entscheidung stellt oft die Frage dar, ob ein Erbe angenommen oder ausgeschlagen werden soll. Viele lehnen das Erbe ab, wenn sie erwarten, dass damit Schulden oder organisatorischer Aufwand verbunden sind. Kompliziert wird es dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das Erbe doch einen erheblichen Wert hat. So hatte eine Frau aufgrund des ungeordneten Zustands der Wohnung ihrer verstorbenen Mutter angenommen, diese sei verarmt, und daher auf das Erbe verzichtet. Später stellte sich heraus, dass ein Vermögen im höheren fünfstelligen Bereich vorhanden war. Das Oberlandesgericht Frankfurt (Az.: 21 W 146/23) sah in diesem Fall die Möglichkeit, die Ausschlagung anzufechten, da ein relevanter Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft des Nachlasses vorgelegen habe, der entscheidend für die ursprüngliche Entscheidung gewesen sei.

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In einem weiteren Fall hinterließ eine Verstorbene eine Eigentumswohnung. Die Eigentümergemeinschaft beschloss nach ihrem Tod zusätzliche Wohngeldzahlungen. Der Erbe verweigerte diese, musste jedoch laut Bundesgerichtshof (Az.: V ZR 81/12) trotzdem aufkommen. Die Richter stellten klar, dass die Haftung des Erben nicht auf das geerbte Vermögen beschränkt sei. Ab dem Zeitpunkt, an dem der Erbe den Nachlass verwaltet oder nutzt und keine Ausschlagung mehr möglich ist, trage er auch persönlich Verantwortung für neue Verbindlichkeiten.

Auch Vermieter können betroffen sein, wenn ein Mieter verstirbt. Möchten sie über das Nachlassgericht die Erben des Verstorbenen ermitteln lassen, so müssen sie für diese Auskunft eine Gebühr entrichten. Das Oberlandesgericht Hamburg (Az.: 2 W 98/17) entschied, dass die Auskunft über den unbekannten Erben mit einer Gebühr von 15 Euro verbunden sei, selbst wenn das Gericht keine Angaben machen kann.

Erben haben zudem auch praktische Pflichten – etwa bei der Organisation der Bestattung. Ein Mann ließ seinem verstorbenen Bruder zunächst ein einfaches Grab errichten und später ein aufwendiges Mausoleum folgen. Die dabei entstandenen Kosten machte er steuerlich geltend. Der Bundesfinanzhof (Az.: II R 8/20) erkannte die Ausgaben in angemessener Höhe an. Ausschlaggebend sei dabei nicht nur die Angemessenheit, sondern auch der Lebensstil, die religiösen Überzeugungen des Verstorbenen und die Höhe des Nachlasses.

Wird lediglich ein Miteigentumsanteil an einer Immobilie vererbt, kann dieser wegen eingeschränkter Nutzbarkeit im Verkehrswert reduziert angesetzt werden. Das Finanzamt hatte den Wert auf 75.000 Euro geschätzt. Das Finanzgericht Münster (Az.: 3 K 1201/21; Revision beim BFH anhängig unter II R 57/22) korrigierte dies auf 60.000 Euro – mit der Begründung, dass Miteigentumsanteile in der Regel schwerer veräußerbar seien und für Käufer ein erhöhtes Risiko bedeuten.

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In Situationen, in denen Erben geschäftsunfähig sind, ist eine betreuungsgerichtliche Genehmigung für die Annahme oder Ausschlagung des Erbes erforderlich. Eine Betreuerin hatte die Ausschlagung zwar rechtzeitig erklärt, doch die notwendige Genehmigung durch das Gericht lag erst nach Ablauf der regulären Frist vor. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az.: 14 W 28/24) entschied jedoch, dass die Frist während des laufenden Genehmigungsverfahrens gehemmt sei – eine verspätete Ausschlagung sei daher dennoch möglich gewesen.

Schließlich befasste sich das Oberlandesgericht München (Az.: 34 Wx 36/24) mit dem Auskunftsrecht eines Pflichtteilsberechtigten. Ein Sohn, dem seine Mutter nicht in vollem Umfang etwas hinterlassen hatte, wollte seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen. Um die Höhe des Nachlasses zu klären, benötigte er Informationen über eine teilentgeltlich übertragene Immobilie an seinen Bruder. Das Gericht bestätigte sein Recht auf Einsicht in entsprechende Unterlagen beim Grundbuchamt, einschließlich einer zunächst verweigerten Kostenaufstellung.

Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen (LBS)/ Veröffentlicht am 16.06.2025